Sanierungsobjekt der Altstadtfreunde

Hintere Ledergasse 43

Gerberhaus

Wer sich zufällig in die Hintere Ledergasse verirrt, vermutet nicht, dass hier ein ganz besonderes Gebäude steht. Hinter zwei großen Nürnberger Kaufhäusern haben die Altstadtfreunde das leerstehende und einsturzgefährdete Haus Nr. 43 wieder bewohnbar gemacht und dabei auch seine historische Identität wiederhergestellt.

Wir schreiben das Jahr 1645. Als am 16. Juli gegen Mitternacht die Kirchenglocken läuten, wissen alle, dass ein Feuer in der Stadt ausgebrochen ist. Etwa 32 Häuser zwischen Vorderer und Hinterer Ledergasse sowie Hutergasse wurden ein Raub der Flammen. Auf dem leergeräumten Grundstück Nr. 43 baute erst im Jahr 1697 der Rotgerber Hanß Georg Göpner ein viergeschossiges Haus und integrierte dabei ein vermutlich bereits seit 1651 im östlichen Bereich existierendes, schmales Haus. Die Straßenfassade bestand bis in das erste Obergeschoss aus heimischem Sandstein. Darüber befanden sich zwei offene Fachwerkgeschosse zum Trocknen der Rinderhäute. Zum Transport der schweren, noch feuchten Häute hinauf auf die Trockenböden nutzte der Gerber einen Aufzugserker, der über der Fachwerkfassade auf der Hofseite saß. Gleichzeitig wurde im Hof ein zweigeschossiges Fachwerkgebäude errichtet. Die entlang der östlichen Hofwand errichtete Galerie führte zum „heimlichen Gemach“, dem Abort. Sein hölzerner Schacht mündete in eine

Fäkaliengrube nicht weit vom Hausbrunnen.
Nach dem Tod von Johann Cornelius Göpner im Jahr 1848 verkaufte seine Witwe das gesamte Anwesen an einen Stärkefabrikanten. Die Trockenböden baute er zu vier Wohnungen aus und fügte eine zweite Galerie hinzu. Seit diesem Umbau war die Vorderseite des Hauses ohne Fachwerk.
Knapp 40 Jahre später erwarb das jüdische Ehepaar Geiringer das Haus und eröffnete die erste koschere Geflügelmastanstalt in Nürnberg. Der Name Geiringer steht heute nach der Sanierung wieder an der Hausfassade.
Bis es soweit war, bedurfte es großer Anstrengungen. Im Zweiten Weltkrieg wurden Dach und westlicher Seitenflügel vollkommen zerstört. Der Sohn des Ehepaars Geiringer als Erbe wurde 1942 gezwungen, das Haus zu verkaufen. Er und seine Angehörigen kamen im Konzentrationslager Izbica um. Nach dem Krieg bekam ein Verwandter Geiringers das Anwesen zurück und verkaufte es im Jahr 1954.

Sanierung:
Im Juli 2002 stellte die Stadt Nürnberg Einsturzgefahr des Hauses fest. Die baulichen Forderungen der Stadt konnte die Besitzerin nicht erfüllen. Jetzt traten die Altstadtfreunde auf den Plan. Sie ließen Abstützungen einbauen, nachdem sie das Haus gekauft hatten. Die Baugruppe entrümpelte das gesamte Anwesen. Eine Spezialfirma entfernte mehr als 350 Kilogramm Taubenkot. Jetzt machten sich die Archäologen ans Werk. Nach einem Jahr bargen sie unter anderem etliche Gerberbottiche mit einem Durchmesser von 250 Zentimetern.
Aus finanziellen Gründen begannen wir erst im Spätherbst 2016 mit der eigentlichen Sanierung: Abbau des provisorischen Notdaches und Errichtung eines neuen Daches, Rekonstruktion des historischen Aufzugserkers und Neuschöpfung eines „Gerbererkers“ an der Hausfassade zur Straße hin, Dacheindeckung des Rückgebäudes mit historischen Ziegeln. Vier historische, erhaltene Fenster dienten als Vorlage für alle anderen Fenster.

Details entdecken

In der über 50 Quadratmeter großen Gerberei wurde ein historischer Brunnenschacht freigelegt und mit einer Glasplatte abgedeckt. So können Besucher in den Schacht hinunterschauen. Inmitten des Raums fällt eine markante Sandsteinsäule ins Auge. Herkunft und Gründe für den Einbau konnten nicht geklärt werden. Bei der behutsamen Reinigung der Balken hat die Baugruppe an einem ihrer vielen samstäglichen Einsätze am Unterzug der Eingangshalle eine Rankenmalerei aus der Erbauungszeit entdeckt. Sie wurde erhalten und restauriert. Das Haus kann heute immer noch durch die alte Eingangstüre betreten werden.

Heute

Im Jahr 2021 konnten die Altstadtfreunde das sanierte Gerberhaus mit vielen illustren Gästen einweihen. In der ehemaligen Gerberei befindet sich zurzeit das Büro eines Anwalts. In den übrigen Stockwerken bieten sieben modern ausgestattete Wohnungen ihren Bewohnern eine angenehme Atmosphäre. Besonderen Anklang finden die Räume im Dachgeschoss mit seinem Erker, von dem aus man einen wunderbaren Blick über Nürnbergs Dächer hat.

1697

Baujahr

1848 

Umbau

2021

Sanierung

Architekturbüro Wolfgang Albert
Architekturbüro ziegler-architekten

 

 

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